Schluss mit lustig?

Rezension des neuen Buches von Peter Hahne

– April 2005 –

An diesem hochgelobten Erfolgstitel läßt sich zeigen, daß ein Christ mit seiner Meinung für viele seiner Mitmenschen nicht nur wegen der christlichen Botschaft zu einem Stein des Anstoßes werden kann, denn leider muss ich feststellen, dass Peter Hahne mit diesem in hoher Auflage verbreiteten Buch seinen Mitmenschen eine Mischung aus Wahrheiten, Halbwahrheiten und immer wiederkehrenden Denkfehlern zumutet, die in ihrer Kurzsichtigkeit kaum zu übertreffen sind. Damit meine ich nicht sein Eintreten für christliche Werte und Inhalte, welches eine lobenswerte Erscheinung im heutigen Meinungsdickicht darstellt, sondern seine Ansichten und Schlussfolgerungen auf sozialem und wirtschaftlichem Gebiet.

Eine peinliche Entgleisung leistet sich Hahne gleich ziemlich am Anfang, wo er über den Amoklauf am Gymnasium in Erfurt berichtet. Er klärt seine Leser auf, dass so etwas »auch bei uns« passieren könnte, wo der Täter doch aus dem Bürgertum komme, kein Rechtsradikaler, Satanist oder Drogensüchtiger war, seine Eltern »weder asozial noch arbeitslos, noch Trinker« waren. Diese Formulierung ist sehr unglücklich und legt den Verdacht nahe, »bei uns« heißt im bürgerlichen Westen, wo es natürlich keine Rechtsradikalen, Satanisten, Drogensüchtige, Asoziale, Arbeitslose oder Trinker gibt und geben darf. Da es sich bei dem Text nicht um eine Satire handelt, muss man davon ausgehen, dass Hahne es so meint wie es dasteht. Geht es noch primitiver?
Auch die ständigen Zitate von Showmastern, Politikern und sonstigen Karrieremenschen, für die der Titel des Buches ganz bestimmt nicht zutrifft, zeugen von einer bestimmten Vorliebe bei der Auswahl. Geradezu absurd ist die Empörung eines Gottschalksohnes über Deutschland als »riesigen Pornoladen«, wo doch gerade in seiner amerikanischen Wahlheimat Kalifornien die Pornoindustrie den weltweit größten Umsatz erzielt. In den abgeschotteten Villengegenden der Stars bekommt man davon natürlich nichts mit.

Ganz und gar verrät Hahne seine wirtschaftliche Inkompetenz und politische Blindheit auf Seite 38 und gibt sich unbewusst als Erfüllungsgehilfe der neoliberalen Kulturzerstörer zu erkennen. Wir Deutschen hätten die kürzesten Arbeitszeiten und die meisten Urlaubs- und Feiertage, gehen schon mit 60 in Rente, haben die längsten Ausbildungszeiten, arbeiten eigentlich nur dienstags, mittwochs und donnerstags, alle Energie wird in der Freizeit verpulvert anstatt am Arbeitsplatz, sie feiern zu viel krank und wollen nur noch Spaß. Dies alles soll nach Hahne die Ursache für den Zerfall der Sozialsysteme und für unsere angebliche Schlußlichtstellung in der europäischen Entwicklung sein.
Damit redet Hahne einer verlogenen Politik das Wort, deren Auswirkungen er an anderer Stelle eigentlich kritisieren will. Das Problem liegt jedoch auf einer Ebene, die den meisten Menschen überhaupt nicht bewußt ist:
Im Kapitel »Steinreich und bettelarm« kommt Hahne auf die ungeheuren Privatvermögen zu sprechen, die die Deutschen besitzen bzw. weitervererben. Natürlich erfährt man nichts davon, daß es nur eine kleine Minderheit ist, denen der meiste Reichtum gehört. Die anderen – das heißt die große Mehrheit – besitzt fast nichts und erbt auch nichts. Oder doch? Natürlich, die Mehrheit »besitzt« und »erbt« die riesige Schuldenlast, die zwangsläufig aus den ungeheuren Vermögenswerten resultiert. Und sie muß für die Zinsen und Zinseszinsen aufkommen, die zum weiteren drastischen Anwachsen der Geldvermögen der Reichen führen werden. Bereits jetzt muß etwa die Hälfte der Einkommen aus Löhnen und Gehältern für den Zinsendienst ausgegeben werden.
Bald können die Zinszahler – das sind immer die Empfänger von Löhnen und Gehältern – diese Last nicht mehr tragen und es kommt zu einem vollständigen Zusammenbruch der Solidarsysteme und damit des Rechtsstaates.
Der Versuch, die exponentiell anwachsenden Zinskosten durch Wirtschaftswachstum zu kompensieren, muß fehlschlagen, da ein exponentielles Wachstum in einer endlichen Welt nicht möglich ist.
Hahne spricht diesen Kardinalfehler durch den Zinseszins in unserem Wirtschaftssystem nicht einmal an. Dabei ist eine Kritik daran von der Bibel her durchaus gerechtfertigt und sollte angesichts sich verschärfender Zustände das Anliegen eines jeden darüber aufgeklärten Christen in den Schaltstellen von Wirtschaft und Medien sein. Allein mit Werten, sei es unter christlicher, islamischer oder humanistischer Prägung, kann man nichts gegen ein derart falsch programmiertes Wirtschaftssystem ausrichten, es wird in jedem Fall zusammenbrechen. Der einzige Weg zu einer nachhaltigen Wirtschaftsordnung liegt in der Beachtung von Gottes Weisungen für ein funktionierendes Wirtschafen. Dazu gehören das Zinsverbot und eine geregelte Entschuldung in bestimmten Zeitabständen. Von alledem hört man bei Hahne nichts.
Immerhin kommt auf Seite 82 ein Zugeständnis, daß es langsam dramatisch wird: Viele Arbeitslose ohne jede Hoffnung auf Beschäftigung, Zukunftsangst, finanzielle Probleme, drohendes Spaß-Ende. Da sind wieder dringend »Werte« gefragt! Nur von wem und in welcher Weise diese beachtet oder gar umgesetzt werden sollen, bleibt vollkommen im Nebel. Natürlich darf der notorische Hinweis auf den 11. September 2001 nicht fehlen, allerdings hat dieser inszenierte Anschlag zur Rechtfertigung weiterer Kriegsverbrechen einer selbsternannten Elite absolut nichts mit den Zuständen hier im Lande zu tun.

Hahne unterstützt die Forderungen der unseligen Angebotspolitik nach mehr Flexibilität und Leistungswillen, längeren Arbeitszeiten, Reduzierung von Feiertagen usw., ohne sich bewußt zu sein, damit zu einem wilkommenen Werkzeug des neoliberalen Ungeistes zu werden. Die Degradierung des Wertes der menschlichen Arbeit durch den Einfluß der »Werte« der Finanzmärkte kann in keiner Weise mit biblischen Werten gerechtfertigt werden. Man lese einmal das alttestamentliche Buch Nehemia!
Und wenn Herr Hahne die in seinem Musterland USA in Masssen vorkommenden Jobs als Tüteneinpacker oder Nacht-Schuhputzer vollmundig als Arbeitsplätze bezeichnet, dann ist das Maß endgültig voll.
In dieser kurz vor dem Kollaps stehenden Gesellschaft im reichsten Land der Erde kämpfen Millionen von »arbeitenden Armen« um ihre nackte Existenz, meist in drei bis vier sogenannten Jobs, die Herr Hahne als zukunftsweisend für Deutschland anpreist, gleichzeitig. Zur Stützung dieser absurden Thesen werden in den USA lebende deutsche Millionäre zitiert, die die Dienste der Billigarbeiter natürlich gern in Anspruch nehmen und gar nicht verstehen, warum die Deutschen sich dagegen sträuben, so etwas als normal anzusehen.

Hahne beschwert sich auch über den Sprachverfall in Deutschland, ohne zu merken, selbst Opfer dieses Verfalls geworden zu sein: »In den USA ist Shopping ein Event«, läßt er uns in geschliffenem Denglish wissen, wobei er natürlich nicht erwähnt, daß das Einkaufen für immer mehr Menschen zu einer eher traurigen Veranstaltung wird, da bei ihnen das Geld knapp zu werden beginnt.

Würde Herr Hahne den geldwirtschaftlichen Zusammenhang erkennen und für ein Umdenken auf diesem Gebiet eintreten, hätte er beim Fernsehen gewiß keine großen Zukunftsaussichten.

Schluß mit lustig ist es für all jene, die nicht das Glück haben, einen gut bezahlten Posten beim Fernsehen zu haben, ein gut dotierter Beamter, Showmaster, Fußballer, Manager oder die aktuelle Kanzlergattin zu sein, für all jene also, die nicht zum sozialen Umfeld des Herrn Hahne gehören.

Bedenkenlos kann man dieses Buch den Reichen und Schönen dieser Welt empfehlen, um sie über die faulen, unflexiblen, wehklagenden, arbeitsscheuen und anspruchsdenkenden Mitmenschen aufzuklären, die ihnen das schöne Leben ermöglichen und für die es nun endgültig mit lustig Schluß ist.

Schluß mit lustig ist es in der Tat, aber nur für die, die nicht von ihren Zinsen leben können. Für die Reichen fängt der Spaß jetzt erst richtig an. Diese Differenzierung sucht man in Hahnes neuem Buch vergeblich.

******

© Daniel Peukert

 

Info zur Zins-Wachstums-Falle

 

Für Anregungen und Kritik: Klick & Mail